Bonn. Von Zeit zu Zeit kommen Bücher unter meinem Namen heraus. Ich schreibe die persönlich. Aber ich weiß gar nicht genau, wie viele es inzwischen sind, ich glaube, siebzehn, in vier verschiedenen Verlagen. Weil der Oktober der Monat der Buchmesse ist, möchte ich schildern, wie es ist, Bücher zu schreiben.
Bei einem der ersten Bücher habe ich einen Anfängerfehler gemacht. Als die Fotokopien mit dem Text kamen, steckte ich gerade wegen anderer Dinge schwer im Stress. Ich habe also nicht Korrektur gelesen. Ich dachte, ach, das Verlagskorrektorat wird schon die dicksten Hunde ausfindig machen, den Kleinkram erledige ich zur zweiten Auflage. Als ich dann die erste Auflage in die Hand nahm und nach Kleinkram suchte, fand ich etwa 350 Fehler, darunter 120 dicke Hunde. Dabei hatte das Buch doch nur 200 Seiten. Mir war nicht klar, dass es in vielen Verlagen gar kein Korrektorat mehr gibt. Da war ich selber schuld. Ich dachte, die Kritiker würden mich fertigmachen. Die Fehler wurden aber in keiner der erfreulich zahlreichen Kritiken erwähnt. Die meisten Kritiker überprüfen sowieso nur, ob ein Buch mit ihrer Weltanschauung übereinstimmt, der Rest ist egal. Wenn ich etwas politisch Unkorrektes schreibe, merkt das immer jemand, aber wenn ich in geistiger Umnachtung „Kapitahl“ mit „h“ schreibe, dann geht das, dank der Tradition der literarischen Avantgarde, als doppelbödige Gesellschaftskritik durch, dem Himmel sei Dank.
Beim nächsten Buch habe ich tagelang Korrektur gelesen. Als die erste Auflage kam, erschien sie mir orthografisch korrekt, aber sonderbar dünn. Die letzten 40 Seiten waren vergessen worden. Das Buch endete auch mitten im Satz. Ich hatte gedacht, dass vor der Auslieferung noch mal jemand so ein Buch in die Hand nimmt und
zumindest überprüft, ob das Buch Seiten hat, dies ist nicht der Fall. Meine Agentin sagte, so was komme öfter vor. Nichts sei unmöglich. Es gibt einen berühmten Großschriftsteller, bei dem sie mal auf dem Cover seinen Namen vergessen haben. Riesige Auflage! Ich darf nicht sagen, wer es ist. Er ist recht betagt und bekommt einen Herzkasper, wenn er sich daran erinnern muss.
Das nächste Buch ließ sich gut an. Es fehlten nur mitten im Buch fünf Zeilen, da haben sie einfach einen Zettel mit den fehlenden Zeilen an der passenden Stelle ins Buch hineingelegt. Das war okay. Aber bei näherem Hinsehen stellte sich heraus, dass die Seitenzahlen völlig durcheinandergewürfelt waren, auf Seite 55 folgte Seite 163, dann kam Seite 4 und so weiter. Immerhin, es fehlte keine einzige Seite. Die erste Auflage wurde eingestampft. In Auflage zwei stimmte alles, nur dass in einem Teil der zweiten Auflage immer noch der Zettel mit den anfangs fehlenden, inzwischen längst eingefügten fünf Zeilen einsortiert worden war. Vermutlich hat das ein Praktikant machen müssen.
Jetzt habe ich ein Hörbuch aufgenommen. Bei der ersten Auflage ist ein Versehen passiert. Alle Regieanweisungen des Regisseurs sind zu hören. Nach meiner Erinnerung sagt er im Text plötzlich Sachen wie »Also, dein T hört sich für mich wie ein D an, du bist aus Hessen, oder?« oder „Harald, das klingt nuschelig, das kannst du besser“ oder „Ich spüre, du brauchst jetzt einen Kaffee“. Ich weiß es nicht genau, weil ich die CD nicht anhören will, es tut zu sehr weh. Eines steht fest: Wenn die Rüstungsindustrie ähnlich arbeiten würde wie die Verlagsbranche, dann käme aus Afghanistan kein Soldat lebend zurück. Moralisch steht die Verlagsbranche natürlich besser da.