Das Urteil gegen Nawalny von Anfang Februar wurde von einem russischen Gericht bestätigt. Der Kremlkritiker muss für zweieinhalb Jahre in ein Straflager. EU beschließt nun neue Sanktionen gegen Russland.
Es steht fest: Der Kremlkritiker Alexej Nawalny muss eine mehrjährige Haftstrafe in einem Straflager antreten. Seine Anwälte versuchten, das zu Monatsbeginn verhängte Urteil aufzuheben. Doch der Richter gab bekannt, der Beschwerde nicht stattzugeben. Für Nawalny bedeutet das Urteil zunächst eine dreieinhalb Jahre lange Haftstrafe in einem Straflager. Doch nach Anrechnung des Hausarrests und Haftzeiten wurde die Zeit auf zwei Jahre und acht Monate reduziert. Das Berufungsgericht reduzierte dies wegen eines Hausarrests im Jahr 2015 nochmals leicht, sodass er insgesamt nur noch zweieinhalb Jahre im Straflager absitzen muss.
Um welches Straflager es sich handelt, ist bislang nicht bekannt. Die russische Oppositionelle wurde unmittelbar nach seiner Verurteilung verlegt, doch niemand weiß, wohin. Nawalnys Anwälte gaben an, keine Informationen diesbezüglich bekommen zu haben. „Mir wurde nicht gesagt, wohin er gebracht wurde, höchstwahrscheinlich in ein Straflager, aber möglicherweise auch woandershin“, erklärte der Anwalt Wadim Kobsew der Nachrichtenagentur Infax. Er wollte Nawalny in der Untersuchungshaft besuchen und fand eine leere Zelle vor. Auf Nachfrage sei ihm gesagt worden, dass der Kremlkritiker das Gefängnis bereits verlassen habe. Nawalny sei „entsprechend dem Gerichtsurteil“ für die Dauer seiner Haftstrafe in das Straflager gebracht worden, gab der Leiter der russischen Gefängnisse, Alexander Kalaschnikow, bekannt. In welches, sagte er jedoch nicht.
Auch Nawalnys Anwältin Olga Michailowa bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, dass Nawalny ohne ihr Wissen verlegt worden sei. „Sie haben niemandem gesagt, wohin er gebracht wird“, so Michailowa. Selbst die Familie des Kremlkritikers sei nach Angaben des engen Vertrauten, Leonid Wolkow, nicht informiert worden. „Die Tatsache, dass wir jetzt nicht wissen, wo er ist und was mit ihm ist, bestätigt das Ausmaß der Bedrohung“, gab er via Twitter bekannt.
Die Europäische Union reagierte umgehend auf den Vollzug von Nawalnys Urteil. Die Außenminister der EU einigten sich vergangenen Montag bei einem Treffen in Brüssel auf neue Sanktionen gegen Russland. Zu den Strafmaßnahmen gehören Vermögenssperren und EU-Einreiseverbote gegen Verantwortliche der Inhaftierung Nawalnys. Die EU will damit den Druck erhöhen, nachdem Russland der Forderung nach sofortiger Freilassung des Kremlkritikers bislang nicht nachgekommen ist. Seit mehr als drei Wochen wird nach der Freilassung gefordert. Doch Moskau wies die Forderung als Einmischung in innenpolitische Angelegenheiten zurück.
Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte sich nun deutlich für neue Strafmaßnahmen ausgesprochen. „Wir haben schon bei der Vergiftung von Nawalny deutlich gemacht, dass wir nicht bereit sind, den Bruch internationalen Rechts zu akzeptieren, und haben Sanktionen verhängt“, so der SPD-Politiker. Mit der Verurteilung Nawalnys und der Verlegung in ein Straflager, kommt die Frage nach weiteren Sanktionen auf. Russlands Straflager sind berüchtigt für rohe Gewalt, Folter und Todesfälle. Doch Kalaschnikow betonte, dass für „Leben und Gesundheit“ des russischen Oppositionellen keine Gefahr bestehe. „Ich garantiere, dass es keinerlei Bedrohungen für seine Gesundheit und erst recht nicht für sein Leben gibt“, so Kalaschnikow.
Grund für das Verfahren gegen Nawalny sei ein Verstoß gegen Bewährungsauflagen. Der Vorwurf lautete, dass Nawalny, während er nach seiner Vergiftung in Deutschland behandelt wurde, gegen Meldeauflagen verstoßen habe. Nawalny kritisiert die Vorgehensweise seiner Regierung als gegen ihn politisch motiviert und „absurd“. Er sei Ende Januar freiwillig nach Russland zurückgekehrt. „Die ganze Welt wusste, wo ich mich aufhalte“, entgegnete der Kremlkritiker.
Die Inhaftierung Nawalnys bestärkt die EU in dem negativen Bild, dass die Opposition, die Zivilgesellschaft und unabhängige Stimmen in Russland immer kleiner werden. Die EU wirft Russland zudem die Verhaftung und Inhaftierung von Journalisten und Unterstützern Nawalnys vor. Auch ihre Freilassung wird gefordert, wie aus einer Erklärung Borrells hervorging.
Nawalny wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach festgenommen und zu Haftstrafen verurteilt. Zuletzt wurde er nach seiner Rückkehr aus Deutschland nach Moskau festgenommen, da er während seines Aufenthalts in Deutschland gegen Bewährungsauflagen verstoßen habe. Der Kreml-Kritiker hatte sich in den vergangenen fünf Monaten in Deutschland von einem Giftanschlag erholt. Die Charité bestätigte im vergangenen September, dass es sich bei dem Stoff um das Nervengift Nowitschok handelte. Im Dezember 2020 hatte Nawalny in einem Telefonat ein Geständnis der Täter entlocken können, da er sich als Assistent des Chefs des russischen Sicherheitsrats ausgab. Während des Telefonats gestand der FSB-Agent Kudrjawzew, das Gift sei an den Innennähte der Unterhose angebracht gewesen. Nawalny habe den Anschlag nur überlebt, weil der Pilot schnell eine Notlandung veranlasst hatte. Kudrjawzew gab an, gemeinsam mit einem weiteren FSB-Agenten nach Omsk gereist zu sein, um dort Kleidungsstücke von Nawalny einzusammeln und Spuren des Gifts zu beseitigen.
Nawalny ist ein bekannter russischer Oppositioneller. Zuletzt richteten sich seine Vorwürfe direkt gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Angeblich habe sich dieser einen Luxus-Palast in Gelendschik an der Schwarzmeerküste bauen lassen. In dem Video „Ein Palast für Putin. Die Geschichte der größten Bestechung“ wurde in einem knapp zweistündigen Beitrag der geheime Luxuspalastes thematisiert. Darin warf Nawalny dem russischen Staatsoberhaupt vor, sich für 100 Milliarden Rubel (umgerechnet 1,1 Milliarden Euro) sein eigenes „Königreich“ gebaut zu haben.
Laut dem Politologen, Alexander Kynew, habe Nawalny mit dem Video seinen Einsatz erhöht. „Die Situation bewegt sich vorwärts, auf eine Art Höhepunkt zu, wie der ausfallen wird, können wir nicht sagen.“ Russland hat seinen nächsten Zug gegen dem Kremlkritiker vollzogen und ihn in ein Arbeitslager verlegt. Da bleibt die Frage offen, was Nawalny und sein Team dem als nächstes entgegenbringen können.