Hamburg. Um in den Besitz einer Immobilie zu gelangen, gibt es drei Optionen: selbst bauen, auf normalem Weg kaufen oder den Zuschlag bei einer Zwangsversteigerung. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland rund 31.000 Wohnungen oder Häuser per Auktion veräußert. Dies geht aus einem Bericht der Argetra GmbH hervor. Dafür wertete das Unternehmen die Daten von rund 500 Amtsgerichten aus. Insgesamt kamen 2016 Objekte mit einem aggregierten Verkehrswert von 4,9 Milliarden Euro unter den Hammer. Im Schnitt liegt der aufgerufene Betrag bei 157.000 Euro. Der Weg über das Gericht zum Traumhaus kann sich lohnen. Die vom Gericht festgesetzten Verkehrswerte unter den realistischen Marktwerten, so dass immer ein günstiger Einkauf möglich ist.
Indes gilt es, Spezifika im Vergleich zum herkömmlichen Immobilienerwerb zu beachten. Makler mit entsprechendem Wissen können damit bei ihren Kunden nicht nur Eindruck hinterlassen, sondern ganz konkret helfen. Um zu erfahren, welche Objekte feilgeboten werden, können Interessierte im Anzeiger eines Bundeslandes, auf der Gerichtstafel des zuständigen Amtsgerichts oder in Zeitungen nachlesen. Einfacher ist die Recherche im Netz. Mit zvg-portal.de haben die Landesjustizverwaltungen eine Plattform zum Thema geschaffen. Ebenfalls bequem ist die Suche über argetra.de und zwangsversteigerungen.de, die Plattform von Unika.
Hier mal reinzuschauen kann sich lohnen. Vor überzogenen Erwartungen aber sei gewarnt. Maßstab für den Kaufpreis ist der Verkehrswert. Nur selten wechseln Immobilien für 50 Prozent davon den Besitzer. Dies ist die Untergrenze des Gesetzgebers gegen Schnäppchenjäger (5/10-Regel). Zudem haben Schuldner und Gläubiger ein Vetorecht. Sie können einer „Verschleuderung“ einer Immobilie entgegenwirken, wenn sie nicht mindestens 70 Prozent des Verkehrswertes erreicht (7/10-Regel). Wird bei einer Auktion der Zuschlag wegen Nichterreichens einer Schwelle versagt, bestimmt das Gericht einen neuen Termin. Bei dieser zweiten Auktion gibt es diese Schutzgrenzen nicht mehr; dann kann der Zuschlag auch bei zum Beispiel 30 Prozent fallen. Dies ist freilich selten der Fall. Beim aktuellen Ansturm auf „Betongold“ könnte es sogar sein, „dass für ein Objekt in guter Lage mehr als der Verkehrswert geboten werden muss, um den Zuschlag zu bekommen“, warnen Kenner.
VERKEHRSWERT ABSCHÄTZEN
Der Verkehrswert wird durch einen Gutachter geschätzt. Das Gutachten sowie Fotos vom Objekt können im Internet oder beim zuständigen Amtsgericht eingesehen werden — ebenso ein Auszug aus dem Grundbuch. Aus dem Gutachten erfährt man zum Beispiel von Baumängeln mit Angabe der Reparaturkosten. „Da von Rechts wegen kein Anspruch auf eine Objektbesichtigung besteht, ist dieser Punkt umso wichtiger und kann den Käufer davor bewahren, die sogenannte Katze im Sack zu kaufen“, erklärt Stephan Scharfenorth, Geschäftsführer des Finanzierungsportals Baufi24. In dem Auszug aus dem Grundbuch wiederum sind Grundschulden als Belastungen des Objekts eingetragen. Es handelt sich hierbei um Sicherheitsrechte des Gläubigers — meist der Bank. Bestehen bleibende Belastungen müssen die Erwerber des Objekts ablösen, also den Wert einer eingetragenen Grundschuld an deren Inhaber bezahlen, zusätzlich zu dem Meistgebot, das an das Gericht zu bezahlen ist. Wenn ein Interessent also überlegt, wie viel er maximal bereit ist zu zahlen, muss er den Wert der bestehen bleibenden Belastungen von seinem Gebot abziehen. Dieses Limit sollte der Bietende bei der Auktion unbedingt einhalten.
OBJEKT BESICHTIGEN
Zudem empfiehlt es sich, vor einem Auktionstermin das Objekt gemeinsam mit einem Architekten in Augenschein zu nehmen. Auch die Umgebung sollte gecheckt werden. Um das Risiko eines Fehlkaufs weiter zu reduzieren, können Interessierte versuchen, auf eigene Faust eine Innenbesichtigung mit dem Eigentümer oder Mieter zu vereinbaren.
Am Tag der Versteigerung gibt es ebenfalls Wichtiges zu beachten. Jeder Teilnehmer muss sich beim Gericht mit seinem Personalausweis ausweisen und eine Sicherheit in Höhe von 10 Prozent des Verkehrswerts hinterlegen. Dies geschieht oft mit einem bankbestätigten Scheck. Bargeld wird nicht akzeptiert. Anschließend gibt der Rechtspfleger Hinweise zum Grundstückswert und zum geringsten Gebot. Letzteres besteht aus den Verfahrenskosten und den Rechten/Belastungen, die der Erwerber übernehmen muss. Das geringste Gebot muss bei der Versteigerung mindestens erreicht werden, sonst kann der Zuschlag nicht erteilt werden. Diese Grenze greift nur ab dem zweiten Versteigerungstermin, wenn die gesetzliche 5/10-Untergrenze nicht mehr gilt.
RUHE BEWAHREN
Während der Auktion nimmt das Gericht mindestens 30 Minuten lang die Gebote der Bieter entgegen. Hektisch wird es dabei nur selten. In der Regel will keiner der Bieter sein Interesse erkennen lassen; alle warten ab, was die anderen im Schilde führen. Neben privaten Bietern finden sich auch Profis zu Versteigerungsterminen ein. Bankangestellte zum Beispiel sieht man häufiger. In der Regel bieten sie nur mit, um das Objekt, dessen Gläubiger die Bank ist, „wertvoller“ zu machen. Fazit: Zwangsversteigerungen sind eine Chance, günstig an Eigentum zu gelangen, wenn wichtige Aspekte beachtet werden. Makler können auf diesem Weg als Tippgeber helfen.