Amsterdam. Christo Wiese ist ein Meister verstörender Bilanz-Zickzacks. In diesem Herbst wollte der Großaktionär und Chairman des Möbelriesen Steinhoff (13,4 Milliarden Euro Umsatz, 130 000 Beschäftigte) unbedingt sein südafrikanisches Geschäft unter dem Namen „Star“ an die Börse bringen, geführt in Personalunion vom Steinhoff-CFO Ben la Grange, einem gelernten Wirtschaftsprüfer. Allein: Nachdem Informationen über vernebelte Bilanzstrukturen und einen auffällig niedrigen Cashflow bekannt geworden waren, stellten Analysten und Investoren dem MDax-Konzern grundsätzliche Fragen.
Konkret ging es darum, wie verwoben Steinhoff mit dem Schweizer Vehikel Campion/Fulcrum ist, das von Steinhoffs Ex-Finanzmann Siegmar Schmidt geführt wird. Der Konzern hatte seinen verlustreichen Kreditfinanzierer JDFS und den mies performenden Markenrechteinhaber GT Branding an das Vehikel abgegeben – unter Gewährung von Krediten in dreistelliger Millionenhöhe. Zudem wollten die Investoren wissen, ob in Steinhoffs Konstrukt Wirtschaftsprüfer Bilanzen schon mal nur mit Einschränkung testiert hätten.
Haben sie nicht und niemals, schmetterten Wieses Herolde in einer Mitteilung vom 17. September – drei Tage vor dem geplanten „Star“-Börsengang. Der Käufer von JDFS sei eine „unabhängige dritte Partei“. Und zu Campion gebe es „keine direkte ökonomische Beziehung“ Wieses Plan ging auf – Steinhoff, vor mehr als 50 Jahren vom ammerländischen Haudegen Bruno Steinhoff gegründet, schlug ein Aktienpaket von „Star“ über die Börse in Johannesburg los.
Nur mit welchem Wahrheitsgehalt? Die Behauptung etwa, Wirtschaftsprüfer hätten Steinhoff-Bilanzen immer glatt durchgewunken, ist mindestens irreführend. Die Konzernbilanz der Steinhoff-Tochter Poco vom 3. Mai 2016 stellten die Prüfer von PwC nur mit „Einschränkung“ auf. Steinhoff dazu: „Die angeführte Einschränkung bezieht sich lediglich darauf, dass nicht alle konsolidierten Poco-Gesellschaften einzeln angeführt sind aufgrund der Tatsache, dass Poco auf die Auflistung jeder einzelnen wirtschaftlichen Einheit im Konzernabschluss verzichtet hat.“ Aha! Auch der Versuch, möglichst viel Raum zwischen Campion und Steinhoff zu schaffen, stößt sich an der Wirklichkeit. Augenfälligster Beleg: Campion-Mann Cédric Schem der inzwischen für Steinhoff arbeitet. Steinhoff teilt dazu mit: „Cedric Schem ist eine erfahrene Persönlichkeit. Daher haben wir ihm eine Stelle als Juniormanager in Steinhoffs M&A-Team angeboten. Mit 1. August 2017 hat Schem Campion Capital verlassen und ist zur Steinhoff-Gruppe gewechselt.“
Dumm nur: Der Schweizer Finanzinvestorenverband SECA führte Schem noch Mitte Oktober als „ersten Ansprechpartner“ von Campion. Auch die Behauptung, es gebe „keine direkte ökonomische Beziehung“ zu Campion ist originell. Gemeinsam mit Campions 100-Prozent-Tochter Fulcrum hält Steinhoff den Markenverwerter GT — wo Steinhoff zuletzt Kredite über rund 400 Millionen Schweizer Franken stehen hatte.
Derlei Zahlenzinnober dürfte aber nicht mehr allzu lange helfen. Ikea, Möbelmarktführer und schärfster Rivale, kündigte jüngst an, das Geschäftsmodell radikal umzustellen und großvolumig in Online zu investieren. Dafür ist noch kein Bilanztrick erfunden. So etwas kostet dann echtes Geld.