Ein stilles Drama spielt sich derzeit in den Ozeanen der Welt ab. Laut neuesten Berichten der NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) befinden sich rund 84 % aller tropischen Korallenriffe in einem Zustand massiver Bleiche. Die Ursache: anhaltend hohe Wassertemperaturen, ausgelöst durch den Klimawandel und verstärkt durch das Wetterphänomen El Niño. Es ist die größte Korallenbleiche, die jemals dokumentiert wurde – mit verheerenden Folgen für marine Ökosysteme und die globale Biodiversität.
Korallenbleiche tritt auf, wenn Korallen durch Hitzestress ihre symbiotischen Algen, sogenannte Zooxanthellen, abstoßen. Diese liefern den Tieren nicht nur Nährstoffe, sondern verleihen ihnen auch ihre leuchtenden Farben. Ohne diese Partnerschaft verlieren Korallen ihre Farbe, werden weiß – und sterben, wenn die Temperaturen nicht bald wieder sinken. Bereits jetzt melden Regionen wie das Great Barrier Reef, die Karibik, Teile des Indopazifik und das Rote Meer massive Schäden.
„Wir sehen einen ökologischen Ausnahmezustand“, sagt Dr. Anya Rivera vom Meeresforschungsinstitut in Sydney. „Diese Bleiche ist global, flächendeckend und betrifft selbst tiefere Riffzonen, die früher als vergleichsweise geschützt galten.“
Die Bedeutung der Korallenriffe kann kaum überschätzt werden. Sie beherbergen rund ein Viertel aller bekannten Meeresarten, obwohl sie nur etwa 1 % der Ozeanfläche ausmachen. Darüber hinaus schützen sie Küstenregionen vor Erosion und Sturmfluten, dienen Millionen von Menschen als Lebensgrundlage durch Fischerei und Tourismus – und könnten künftig eine wichtige Rolle in der medizinischen Forschung spielen.
Doch all das ist nun gefährdet. Besonders betroffen ist das Great Barrier Reef in Australien, wo Forscher:innen in Luftaufnahmen großflächige Verfärbungen dokumentieren. Auch in der Karibik hat sich das Meer stellenweise auf über 32 Grad Celsius erwärmt – Temperaturen, bei denen selbst die robustesten Korallenarten kapitulieren.
Internationale Wissenschaftler:innen fordern rasche Gegenmaßnahmen: ein globaler Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, strengere Schutzmaßnahmen für Riffregionen sowie lokale Eingriffe wie Beschattungsanlagen, künstliche Strömungen oder die Züchtung hitzeresistenter Korallenarten. Diese Lösungen sind allerdings teuer, technologisch komplex und nur punktuell einsetzbar.
In Deutschland beschäftigt sich unter anderem das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung mit der Thematik. „Wir beobachten das Sterben der Korallen quasi in Echtzeit“, erklärt Dr. Jonas Fiedler. „Doch was wir brauchen, ist politisches Handeln im großen Stil – und zwar jetzt.“
Die Dringlichkeit der Lage wurde auch beim diesjährigen UN-Klimagipfel in Nairobi unterstrichen. Dort forderten Vertreter pazifischer Inselstaaten einen „globalen Schutzschirm“ für marine Lebensräume – inklusive verbindlicher Klimaziele, finanzieller Unterstützung und internationaler Kooperation.
Trotz der düsteren Lage gibt es Hoffnung. Erste Versuche, sogenannte „Superkorallen“ zu kultivieren, zeigen Erfolge. Diese genetisch robusteren Arten könnten helfen, die Riffe langfristig zu stabilisieren – vorausgesetzt, der Klimawandel wird gleichzeitig effektiv bekämpft.
Doch die Zeit drängt. Wenn die Ozeane weiter so rasant erwärmen wie bisher, könnten laut UN-Prognosen bis 2050 über 90 % der Korallen weltweit verschwunden sein. Das hätte katastrophale Auswirkungen – nicht nur für die Meere, sondern für das gesamte Gleichgewicht unseres Planeten.